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#IchbinHanna: unplanbare und familienfeindliche Uni-Karriere

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Aktuell trendet auf Twitter der Hashtag #IchbinHanna. Der direkte Anlass liegt in einem Video vom deutschen BMBF zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

In der Zwischenzeit wurde das Video vom Ministerium entfernt und es gibt ein Video vom BMBF-Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas zur Situation.

Wer mehr zum Hintergrund wissen möchte, dem seien die ersten Minuten von dieser Minkorrekt-Podcast-Episode ans Herz gelegt.

Ich kenne keine genaueren Details zu der Situation in Deutschland. Jedoch haben wir in Österreich mehr oder weniger die gleichen Probleme, wenn man sich für eine Karriere in der Wissenschaft interessiert.

Mein geplatzter Plan in der Wissenschaft

Auch ich hätte liebend gerne nach meiner Dissertation in meinem Fachgebiet weiter geforscht und vor allem auch gelehrt. Ich denke, ich wäre auch gut daran gewesen. Doch die Bedingungen sind so, dass mir eine akademische Karriere faktisch verunmöglicht wurde. Ich hätte mit Mitte/Ende Dreißig akzeptieren müssen, dass ich ein oder zwei Stationen zu jeweils vier bis sechs Jahren irgendwo in der Weltgeschichte akzeptieren müssen, bevor ich eine (zu) kleine Chance gehabt hätte, auf irgendeine österreichische Universität eine unbefristete Stelle - eine sogenannte Laufbahnstelle - bekommen zu können. Die Chancen sind so schlecht, dass man damit rechnen muss, mit seiner Qualifikation irgendwo im Ausland bleiben zu müssen. Der Ort wird von den angebotenen Stellenausschreibungen bestimmt und nicht die persönliche Wahl eines Landes oder eines Lebensstandards.

Das verträgt sich nun mal sehr schlecht mit Beziehungen oder gar einer Familie. Nicht jede Partnerin ist einverstanden, Freunde, Familie und Job für die Karriere des Partners aufzugeben und mit jedem befristeten Vertragsende weiterzuziehen.

Die Wirtschaft als Notlösung

Wagt man den Weg trotzdem und kommt man nach dem Post-Doc drauf, dass es sich mit der Laufbahnstelle aktuell einfach nicht ergibt, so muss man kurzerhand in die Wirtschaft umsatteln, wo man dann teilweise als überqualifiziert und untererfahren Probleme bekommt, eine adäquate Stelle zu bekommen.

Je mehr man sich auf die so wichtige Grundlagenforschung konzentriert hat, umso größer ist das Problem beim Umsatteln in die Wirtschaft.

Keine gute Situation für Forschungsprojekte

Ein weiteres Problem dieser befristeten Stellen ist mir in der Diskussion noch nicht untergekommen. Es gibt Forschungsprojekte, die laufen Jahre länger als die kurzen Jobbefristungen. Insofern gibt es Situationen, wo ein Multi-Millionen-Projekt, das bereits großteils fertiggestellt ist, ohne finales Ergebnis abgebrochen werden muss, weil ein paar essentielle Mitarbeiter nach Ende ihres Vertrages rausgeschmissen werden und der Know-How-Verlust der Tod des ganzen Projekts bedeutet.

Ich persönlich kenne zumindest ein großes Projekt mit etlichen Mitarbeitern, das auf diese Art und Weise vernichtet wurde. Das kann keinesfalls im Sinne der Fördergeber, der Universität oder der Wissenschaft generell sein.

Wissensvernichtung durch nicht-überlappende MA-Wechsel

Als ich meine Stelle an der TU Graz angetreten habe, gab es von meinem Vorgänger genau ein Email, wo er mir Infos zukommen hat lassen, wie ich die Lehrveranstaltungen und die organisatorischen Dinge erledigen soll.

Da ich mein eigenes wissenschaftliches Thema mitbrachte, viel wenigstens der Know-How-Transfer in der fachlichen Arbeit weg. Ich kann mir nur schwer ausmalen, wie man die Tätigkeiten und das Know-How für Labore, Forschungsprojekte, komplexere Lehrveranstaltungen und so weiter einfach so per Email weitergeben kann, ohne, dass die nachfolgende Person einen bedeuteten Wissensverlust erleiden muss.

Es braucht nicht viel Phantasie, damit man erkennt, dass eine Jobübernahme komplett ohne überschneidenden Kontakt zum Vorgänger zwangsweise mit massivem Know-How-Verlust einhergehen muss. Das ist extrem schlecht, wenn Forschung an einem Institut längerfristig entwickeln möchte.

Die Motivation der betroffenen Mitarbeiter ist ebenso beschränkt, wenn man ohnehin weiß, dass man garantiert keine Zukunft an dem aktuellen Platz hat.

Da nützt es wenig, wenn die Professoren und Assistenzprofessoren auf Laufbahnstellen sitzen. Die meiste Arbeit an Universitäten in Lehre als auch Forschung wird von dem sogenannten Mittelbau erledigt, der von der Situation der begrenzten Verträge betroffen ist. Unsere Unis bauen ständig Wissen und Erfahrung auf, um vier bis sechs Jahre später mit einer anderen Person wieder neu anzufangen.

Die Argumente der Befürworter der aktuellen Regelungen sind teilweise durchaus verständlich. Jedoch bezweifle ich sehr stark, dass in der aktuellen Situation die universitäre Forschung bestens unterstützt wird. Ich befürchte auch, dass dadurch nicht immer die besten Köpfe an den Unis bleiben, um die Basis für unsere Forschungsarbeit zu sichern und somit auch die Zukunft unserer Wirtschaft langfristig zu sichern.

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